Der Berufszugang für Lkw- und Omnibusfahrer wurde neu geregelt. Berufskraftfahrer müssen parallel zum passenden Führerschein zukünftig auch noch die Hürden einer Grundqualifikation und einer turnusmäßigen Weiterbildung nehmen.
Die Tage, in denen junge Männer den Lkw-Führerschein machen und dann bei einer Spedition als Fahrer anheuern, sind gezählt. Ab dem 10. September 2009 müssen alle Neulinge im Fuhrgewerbe zusätzlich eine so genannte Grundqualifikation vorweisen. Das sieht ein neues Gesetz vor, das ohne viel Aufsehen in der Öffentlichkeit Bundestag und Bundesrat im August passierte und am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft trat. Es regelt zusammen mit einer dazugehörigen Verordnung verbindlich die Aus- und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- und im gewerblichen Personenverkehr.
Mit dem neuen Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) setzt die Bundesregierung als erster Unionsstaat die Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments in nationales Recht um. Hintergrund der Reaktion waren die zahlreichen schweren Lkw- und Reisebusunfälle auf Autobahnen. In Brüssel sah man einen notwendigen Handlungsbedarf, um die Verkehrssicherheit auf den Straßen zu erhöhen, einen insgesamt defensiveren Fahrstil zu prägen und den Kraftstoffverbrauch und damit letztendlich auch die Schadstoffbelastung der Atmosphäre europaweit zu senken.
Außerdem sei mit der Richtlinie auch die Hoffnung verknüpft, "bei jungen Menschen das Interesse für den Beruf des Kraftfahrers oder der Kraftfahrerin zu wecken".
Mit dem Gesetz soll die Ausbildung zum Berufskraftfahrer gefördert werden. Wer nämlich die bisher freiwillige dreijährige Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer oder zur Fachkraft im Fahrbetrieb erfolgreich absolviert, erhält automatisch auch die volle Grundqualifikation zuerkannt. Aufgewertet wird die Fachausbildung auch dadurch, dass das Mindestalter für Omnibusfahrer im Inlandseinsatz auf 20 Jahre beziehungsweise auf 18 Jahre im Linienverkehr bis 50 Kilometer Umkreis herabgesetzt wurde.
Die nationalen Regelungen – Gesetz und Verordnung – orientieren sich sehr stark an der EU-Richtlinie. "Es handelt sich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie 2003/59/EG", verkündet Dr. Frank Albrecht vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Rahmen eines Symposiums zu dieser Thematik. Allerdings räumte Albrecht ein, dass nicht alle Optionen der EU-Richtlinie übernommen wurden. Zum Beispiel sei der gesonderte Fahrerqualifizierungsnachweis in Form einer Scheckkarte vom Tisch. Stattdessen soll der Nachweis von Grundqualifikation und Weiterbildung für Inhaber deutscher Führerscheine durch den Eintrag der Schlüsselzahl "95" in den EU-Führerschein im Scheckkartenformat erbracht werden.
Parallel zur Berufsausbildung schafft das neue Recht zusätzliche Möglichkeiten, die Grundqualifikation zu erwerben. Wer nach freiwilliger Ausbildung eine anspruchsvolle vierstündige Theorieprüfung sowie eine praktische Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) besteht, bekommt den Nachweis ebenfalls. Der Praxisteil ist zusätzlich zur Fahrerlaubnisprüfung abzulegen und besteht aus drei Bausteinen: zwei Stunden fahrpraktische Prüfung, eine Stunde Fahrsicherheitstraining auf dem Verkehrsübungsplatz oder im Simulator sowie eine halbe Stunde Prüfung besonderer Kenntnisse wie Krankheitsvorbeugung, Unfälle oder Umweltsicherheit. Auch wenn keine Ausbildung vorgeschrieben ist, lässt sich diese Prüfung wohl nur nach intensiver Vorbereitung, etwa bei einem privaten Ausbildungsträger, bestehen.
Vor allem junge Fahrer, die eine langwierige Berufsausbildung scheuen, profitieren von dieser Möglichkeit, die Grundqualifikation zu erwerben. Das Mindestalter für den Lkw-Führerschein (mit und ohne Anhänger) liegt bei 18 Jahren; für den Omnibus-Führerschein bei 21 Jahren. Abschrecken dürften lediglich der Aufwand und die Kosten. Letztere schätzen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sowie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen auf rund 6.000 bis 14.000 Euro.
Nur knapp die Hälfte, also 3.000 bis 7.000 Euro, dürfte nach Schätzungen der beiden Organisationen auch der dritte Weg zur Fahrberechtigung im gewerblichen Verkehr kosten.
Die "Beschleunigte Grundqualifikation" ist hauptsächlich für ältere Kraftfahrer und Quereinsteiger mit ins nationale Recht übernommen worden. Diese kann jede Nachwuchskraft durch die Teilnahme an 140 Unterrichtsstunden zu je 60 Minuten inklusive 10 Fahrstunden sowie einer theoretischen Prüfung von insgesamt 90 Minuten erlangen. Der Vorteil hierbei ist, dass für die Ausbildung noch kein Führerschein nötig ist. Der kann parallel oder im Nachgang erworben werden. Ohne die erforderliche Fahrerlaubnis muss jedoch ein Fahrlehrer bei allen Übungsfahrten auf öffentlichen Straßen mit an Bord sitzen. Ein weiterer Nachteil: Für die beschleunigte Grundqualifikation muss der Teilnehmer mindestens 21 Jahre für die Lkw- und 23 Jahre für die Omnibus-Berechtigung alt sein, wenn er ohne Einschränkungen von den jeweiligen Führerscheinen Gebrauch machen will.
Was am Ende an Kenntnissen und Fähigkeiten nachgewiesen werden muss, wurde ebenfalls ohne Abstriche aus der EU-Richtlinie übernommen. Die Liste der einzelnen Kenntnisbereiche ist lang. Sie reicht von Fahrzeugtechnik, Sicherheitsausstattungen und Ladungssicherung über rücksichtsvolles und sparsames Fahren, Sozialvorschriften, Genehmigungen und richtiges Verhalten in Notfällen bis zur Logistik oder Marktordnung. Während das Gesetz die allgemeinen Grundlagen widerspiegelt, regelt alle diese Details die dazugehörige Verordnung mit ihren Anlagen. Der Grund für diese Aufteilung ist die leichtere Änderung und Anpassung einer Verordnung. Ein Gesetzgebungsverfahren dauert in der Regel wesentlich länger.
Von den neuen Regelungen sind alle Fahrer betroffen, die eine Lkw- oder Omnibus-Fahrerlaubnis benötigen (Führerscheinklassen C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D oder DE). Wer seinen Omnibus-Führerschein noch vor dem 10. September 2008 erteilt bekommt, muss keine Grundqualifikation für die Tätigkeit als Berufskraftfahrer vorweisen. Für Lkw-Fahrer gilt der Stichtag exakt ein Jahr später. Damit hat die Bundesregierung alle Besitzstands- und Übergangsregelungen der EU-Richtlinie ausgeschöpft.
Noch mehr Zeit haben Berufskraftfahrer für die ebenfalls zur Pflicht mutierte Weiterbildung. Sie ist auch im neuen Gesetz geregelt und trifft alle Kraftfahrer im gewerblichen Güter- oder Personenverkehr – unabhängig davon, wann sie ihre Fahrerlaubnis bekommen haben. Demnach müssen die Berufskraftfahrer jeweils im Fünf-Jahres-Rhythmus 35 Stunden für eine Weiterbildung aufbringen. Die dürfen in Zeiteinheiten von jeweils mindestens sieben Stunden erteilt und bei verschiedenen Ausbildungsstätten absolviert werden.
Für die Startphase hat der Gesetzgeber die Frist auf bis zu sieben Jahre verlängert. Deshalb müssen Lkw-Fahrer mit dem Führerscheinerwerb vor dem 10. September 2009 die Qualifizierung spätestens bis zum 9. September 2016 absolvieren. Schon ein Jahr früher sind die Omnibusfahrer dran. Wenn sie bis zum 10. September 2008 den Führerschein erwerben, steht ihre erste Weiterbildung bis zum 9. September 2015 auf dem Plan. Danach greift die vorgeschriebene Weiterbildung innerhalb von fünf Jahren. Grundsätzlich wären die Weiterbildungsnachweise jeweils schon zwei Jahre früher fällig, um die Fünf-Jahres-Frist einzuhalten. Damit aber bei anstehendem Führerscheinwechsel nicht in kurzen Zeitabständen zweimal ein neuer Führerschein ausgestellt werden muss, hat der Gesetzgeber eine Fristverlängerung beziehungsweise auch eine Fristverkürzung für die Weiterbildung eingebaut.
Eine Anerkennung oder Anrechnung der Führerscheinprüfung und Führerscheinausbildung wird es nicht geben. Das hat die EU-Kommission während des Gesetzgebungsverfahrens klar zum Ausdruck gebracht. Eine ursprünglich diskutierte Verzahnung der Führerscheinausbildung mit der Berufskraftfahrerausbildung findet trotz vieler inhaltlicher Überschneidungen ebenfalls nicht statt. Das Gleiche gilt auch für die jeweiligen Prüfungen.
Die Auswirkungen dieses neuen Gesetzes macht die Anzahl der Betroffenen deutlich. Insgesamt hätten ab Herbst 2009 etwa 70.000 Fahrer im Speditionsbereich jährlich eine Grundqualifikation zu erbringen. Darüber hinaus müssen rund eine Millionen Fahrerinnen und Fahrer im gewerblichen Güterverkehr sowie etwa 150.000 im gewerblichen Personenverkehr alle fünf Jahre eine Fortbildung nachweisen. Die Bundesregierung veranschlagt die Weiterbildungskosten für die Unternehmen auf zwischen 900 und 1.500 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Kosten je Fahrer belaufen sich auf bis zu 1.500 Euro. Einige Berufskraftfahrer bleiben sicher auf diesen Kosten sitzen, denn die Kostenübernahme ist nicht geregelt. Letztendlich ist es Sache der Kraftfahrer, die Nachweise über ihre Grundqualifikation und Weiterbildung zu erbringen.
"Eine einheitliche Richtlinie bei der Kostenübernahme ist nicht zu erwarten", sagte Dr. Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe. Kösters ist skeptisch, ob eine Grundqualifikation eine dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer oder zur Fachkraft im Fahrbetrieb sinnvoll ersetzen kann. Für ihn ist das Gesetz ein Rückschritt gegenüber der dualen Ausbildung, da die potentiellen Fahrerkandidaten in Zukunft sicher eher die "Light-Version" für die Nachweispflicht wählen. Als kritisch schätzt Verbandsgeschäftsführer Kösters auch ein, dass alle Fahrschulen mit einer Lehrerlaubnis für Lkw oder Omnibus per se vom Gesetzgeber auch als Ausbildungsstätten für die beschleunigte Grundqualifikation und Weiterbildung zugelassen sind. Zu groß seien die Qualitätsunterschiede. Fahrschulen, die bislang nur ein bis zwei Lkw-Fahrschüler im Jahr haben, könnten nun ebenfalls auf den Markt drängen, obwohl sie die geforderte Qualität kaum liefern können.
Zwar steht mit dem "Gesetz zur Einführung einer Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- oder Personenverkehr" nun das rechtliche Gerüst, doch bis zur praktischen Durchführung bedarf es noch viel Arbeit im Detail. Das gilt sowohl für die Länder als auch für die IHK. Da die Umsetzung des Gesetzes Ländersache ist, müssen auch diese erst noch die Zuständigkeit festlegen.
Dazu bedarf es einen Spagat zwischen Ausbildungsrecht, Güterkraftverkehrsgesetz und Fahrerlaubnisrecht zu schaffen. Für die Prüfungen wiederum sind die Industrie- und Handelskammern und keine Prüforganisationen zuständig. Amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer dürfen die IHK aber für die praktische Prüfung hinzuholen. Die Verordnung schreibt für das Bestehen der Prüfungen als alleiniges Kriterium das Abliefern "ausreichender Leistungen" vor. Damit orientiert sich der Gesetzgeber an den vergleichbaren Fällen des Berufsbildungsgesetzes. Um eine einheitliche Handhabung bei den Prüfungen zu gewährleisten, sollen noch Mustervorgaben entwickelt und die Satzungen der IHK von den Ländern abgesegnet werden.
Eile ist geboten. Zwar sind es noch ein paar Jahre bis das Gesetz greift, jedoch kann es schnell zu einem "Weiterbildungsstau kommen, wenn alle erst in 2008 mit der Schulung beginnen", mahnt Goerdt Gatermann vom After Sales Training bei Evobus. Drastische Geldstrafen bis zu 20.000 Euro sieht das Gesetz für den Fall einer Berufsausübung ohne vorgeschriebene Qualifikation vor. Um dem zu entgehen sollten die Betroffenen sich bereits heute nach passenden Ausbildungsstellen umsehen. Jetzt könne man sich diese noch aussuchen. Außerdem seien derzeit dafür noch Fördergelder zu bekommen.
Quelle: Berufskraftfahrer-Zeitung